Geworden werden - Interview

Die rechtliche Situation von transsexuellen Menschen
Neun Fragen an Maria Sabine Augstein

Wer sich mit Gendergerechtigkeit beschäftigt, wird unweigerlich auf ihren Namen stoßen: Maria Sabine Augstein. Sie arbeitet seit 1979 als Anwältin und hat in dieser Zeit acht erfolgreiche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bestritten und die Gleichberechtigung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft vorangebracht, wie kaum eine andere. Vor allem aber erleichterte sie die rechtliche Situation von Transsexuellen auf ihrem Weg zur Selbstwerdung. Viele Vorschriften des Transsexuellengesetzes (TSG) von 1980 erschwerten den Weg zur rechtlichen Geschlechtsangleichung, und einige von ihnen hat sie durch entschlossene Verfassungsbeschwerden gekippt. In einem Interview erzählt sie uns, wo die Transsexuellen rechtlich heute stehen.

PrideGuide > Was ist eigentlich der Unterschied zwischen den Bezeichnungen transident, transgender und transsexuell?

Maria Sabine Augstein > Die Begriffe drucken verschiedene Möglichkeiten der Selbstdefinition aus. Mir passen alle diese Begriffe nicht, da sie beinhalten, dass wir doch keine Frauen bzw. im umgekehrten Fall Manner sind. Ich bin
eine gewordene Frau.

PG > Unterscheiden sich diese Kategorien rechtlich in irgend einer Weise?

MSA > Der rechtliche Begriff ist stets „transsexuell“ bzw. „Transsexualität“.

PG > Wie hat sich die rechtliche Situation der Trans*-Menschen in den letzten Jahrzehnten verändert?

MSA > Das Bundesverfassungsgericht hat viele Erfordernisse des TSG* als verfassungswidrig eingestuft und aufgehoben. Außerdem gab es für die gesetzlichen wie für die privaten Krankenkassen Grundsatzurteile, die sie bei
Vorliegen entsprechender Voraussetzungen zur Kostenübernahme für geschlechtsumwandelnde Maßnahmen verpflichteten.

PG > Wo gibt es in juristischer Hinsicht denn noch den größten Veränderungsbedarf?

MSA > Ich setze mich wie der LSVD dafür ein, dass Vornamens- und Personenstandsänderung jedenfalls für Volljährige ohne weitere Nachweise oder Voraussetzungen auf Antrag möglich sind, wie dies in Portugal und Argentinien der Fall ist. Reformbedarf gibt es auch bei den Krankenkassen. Die Verfahren sind zu bürokratisch ausgestaltet.

PG > Was war deiner Meinung nach bislang der größte Erfolg?

MSA > Es gibt hier meines Erachtens keine Hierarchie. Jeder Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht, jede Aufhebung einer Voraussetzung des TSG war gleich wichtig.

PG > Hältst du die Zuordnung zu Geschlechtern überhaupt für nötig?

MSA > Ich halte nichts davon, die Kategorien männlich und weiblich bzw. Frau und Mann auflösen zu wollen. Ich definiere mich eindeutig als Frau und bestehe darauf, so akzeptiert zu werden.

PG > Gibt es spezielle Vorbilder für dich oder für Trans*-Menschen allgemein?

MSA > Für mich nein. Was andere empfinden, kann ich nicht beantworten.

PG > Wie eng ist der Kontakt zur Schwulen und Lesbenszene?

MSA > Das hangt davon ab, inwieweit Bereitschaft besteht, dass die Lesbenszene gewordene Lesben, also gewordene Frauen, die lesbisch sind, oder die Schwulenszene gewordene Schwule, das heißt gewordene Männer, die schwul sind, akzeptiert. Die große Mehrheit der gewordenen Frauen ist lesbisch, wie ich auch. Neue Zahlen eines sexualwissenschaftlichen Institutes sprechen von 75 Prozent. Auch bei den gewordenen Männern ist eine deutliche Mehrheit schwul. Ein gewordener schwuler Mann hat mir sein Leid geklagt, was sich sein Mann in der Schwulenszene anhören musste: „Du bist doch gar nicht schwul, dein Partner ist doch kein richtiger Mann, das ist doch eine Frau.“ Auch für mich war es Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts in der feministischen Lesbenszene alles andere als einfach. Im Sub hatte ich dagegen jedenfalls nach meiner Geschlechtsumwandlung keine Probleme mit der Akzeptanz.

PG > Was würdest du Trans*-Menschen im Coming-Out-Prozess raten?

MSA > Diese Frage ist allgemein nicht zu beantworten, da die Lebensgeschichten sehr unterschiedlich sind.

PG > Wir bedanken uns für das Gespräch und für deinen Einsatz für die Community!

Unsere Partner