Interview

PrideGuide > Was bedeutet eigentlich  das Sternchen, das man immer nach Trans* lesen kann?

Manuel Ricardo Garcia > Der Stern ist ein Symbol, dass es sich bei Trans um einen Überbegriff handelt. „Trans Stern“ steht für transsexuell, transgender, transident, trans-sensual usw. Der Stern soll also zeigen, dass mit Trans* eben nicht nur transsexuell gemeint ist. Es gibt unglaublich viele Definitionen, wie GirlFag, Cis oder Weder*Noch.

PrideGuide > Viele Definitionen also. Macht das den Umgang miteinander manchmal schwierig?

Manuel Ricardo Garcia > Nein. Ich empfinde den Umgang in der Trans*-Szene als sehr gut. Die Szene ist natürlich viel kleiner, was aber dazu führt, dass wir alle viel besser vernetzt sind. Die Netze gehen weit über Deutschland hinaus in alle Länder der Erde. Das empfinde ich als klaren Vorteil gegenüber der schwul-lesbischen Szene, die oft sehr kommunal begrenzt scheint, also sehr fokussiert auf die entsprechende Stadt, München zum Beispiel. In der Trans*-Szene ist das anders. Es gibt einfach nicht so viele. Deshalb müssen wir uns suchen und finden, und das erweitert die Aktionskreise. Es gibt natürlich auch z. B. Transsexuelle, die in der normalen Heterowelt untergehen. Gerade Trans*-Männern sieht man es nicht unbedingt an. Dieses „Abtauchen“ in der Heterowelt wird innerhalb der Szene oft kritisiert, weil Sichtbarkeit natürlich gut ist, um Forderungen durchzusetzen. Ich persönlich sehe das entspannt. Natürlich dürfen Trans*-Männer und -Frauen für sich die Entscheidung treffen, sich von der Szene zurückzuziehen, wenn sie das wollen. Es gibt eben Aktivist*innen und Nicht-Aktivist*innen, und alle haben das Recht, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es für richtig halten.

PrideGuide > Was würdest du dir von der schwullesbischen Szene wünschen?

Manuel Ricardo Garcia > Ich finde es immer sehr schade, dass so stark unterschieden wird zwischen „wir“ und „ihr“. Ich habe nicht selten in der Szene gehört: „Dann macht doch ihr euer Ding, und wir machen unser Ding!“. Das gibt es für mich nicht! Wir sind eine Szene! Und 1969 in der Christopher Street sind auch viele Trans*-Menschen mit auf die Straße gegangen. Es geht uns allen doch um Selbstentfaltung, Toleranz und Offenheit. Wir haben auf unserer Trans* Tagungsfahne deshalb auch den Schmetterling. Er soll Entfaltung, Freiheit und Verwandlung bzw. Transition symbolisieren. Das sind doch auch Hauptanliegen der schwul-lesbischen Szene. Insofern kämpfen wir alle doch denselben Kampf.

PrideGuide > Wäre es dir lieber, die Geschlechterrollen abzuschaffen?

Manuel Ricardo Garcia > Mir persönlich ist das zu radikal. Ich muss keine Geschlechterrollen abschaffen. Aber ich muss sie umgekehrt auch nicht einfordern. Mein Lieblingssatz ist hier immer: „Recht auf Selbstdefinition.“ Es gibt Trans*-Menschen, die wollen sehr wohl in die Schublade. Also ich fühle mich in der „Männer-Schublade“ wohl, hatte jetzt aber auch kein Problem, wenn diese Rollen aufgelöst wurden. Man muss ja niemandem etwas nehmen, aber es eben auch nicht zelebrieren. Ich denke aber, dass ein Beenden von Geschlechter-Erwartungen sehr gut wäre. Und zwar für alle Menschen! Selbst der Cis-Mann von nebenan leidet doch oft darunter, dass er die gesellschaftlichen Erwartungen, die an Männlichkeit gestellt werden, nicht ausreichend erfüllen kann. Dasselbe gilt natürlich
auch für die Frauen. Die Botschaft, die hinter trans* steht, ist ganz schlicht die: „Sei doch einfach mal du! Du bist nämlich wunderbar, genauso wie du bist – und das gilt für alle Menschen. Deshalb muss dieses „wir“ und „ihr“ auch aufhören.

PrideGuide > Was würdest du menschen mitgeben, die gerade in einem Selbstfindungsprozess stecken?

Manuel Ricardo Garcia > Der Kontakt ist immer wichtig! Sucht Selbsthilfegruppen auf, und nutzt solche Angebote wie die Trans*-Tagung München. Denn ihr seid nicht alleine!

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