Politischer CSD-Sprecher und Stadtrat der Rosa Liste Thomas Niederbühl
Liebe Freundinnen und Freunde,
genau vor 40 Jahren haben sich Lesben, Schwule und Transgender bei den Stonewall-Unruhen in der Christopher Street in New York zum ersten Mal gegen Kriminalisierung und Diskriminierung gewehrt. Ihre Lust und ihre Lebensstile sollten endlich selbstbestimmt und selbstgestaltet lebbar und akzeptiert sein. Auch in diesem Jahr erinnert der Münchner Christopher-Street-Day an diese Anfänge einer weltweiten Schwulen- und Lesbenbewegung für Gleichstellung und Gerechtigkeit. Wir Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender bringen wieder mit Politik und Party unsere bunte Vielfalt auf die Strasse, um mit „Lust auf Leben“ zu feiern und zu fordern.
Mit dem Motto „Lust auf Leben“ nimmt der diesjährige CSD auch Bezug auf das 25jährige Bestehen der Münchner Aids-Hilfe und deren Motto „25 Jahre Lebenslust“. Schließlich nahmen schwule Männer die Herausforderung durch die tödliche Krankheit Aids an und gründeten ganz im Sinne von Selbsthilfe, politischer Interessensvertretung und solidarischem Engagement 1984 die älteste regionale Aids-Hilfe. Sie schufen mit dem Aids-Geschehen aktuelle Hilfsangebote und stellten sich der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung. Bayern setzte ja auf das Seuchenrecht des 19.Jahrhunderts, von Absonderung bis Zwangstests wurde alles diskutiert. Wir wehrten uns erfolgreich gegen die Einschränkung und Zerstörung unserer Lebensstile und unserer Szene. Aufklärung, Information, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung setzten sich durch. Damit ist Aids-Hilfe für uns ein Modell für ein erfolgreiches politisches und soziales Handeln der Community, das auch übertragen und verallgemeinert werden kann: Wir lassen uns trotz aller politischen und rechtlichen Widrigkeiten unsere Lebensstile und damit unsere ‚Lust am Leben’ nicht einschränken.“
Dass sich dieses politische Engagement lohnt, zeigt gerade unsere Münchner Erfolgsgeschichte. Neben der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen werden lesbisch-schwule Projekte, von Jugendzentrum bis rosa Altenarbeit, städtisch gefördert. Um schwul-lesbische Touristen wird geworben. Tausende können im Bierzelt auf der Wiesn, bei Straßenfesten und sogar einem pinkfarbenen Weihnachtsmarkt feiern. Die Community ist sichtbarer denn je. Das Klima in der Stadt insgesamt lesben- und schwulenfreundlich. Die Szene regiert durch Rosa Liste im Rathaus mit. Der Freistaat lässt „Homo-Ehen“ endlich im Standesamt schließen.
Auch wenn das alles Gründe sind, den CSD zu feiern, darf das nicht zu dem falschen Schluss führen, für uns Lesben, Schwule und Transgender sei gesellschaftliche Gleichstellung und Akzeptanz schon erreicht.
Uns steht die Ehe immer noch nicht offen. Die Adoption wird uns verweigert. Das Grundgesetz garantiert uns auch nach 60 Jahren noch keine Gleichstellung. Im Alltag müssen wir immer noch Abwertungen, Ausgrenzungen und Diskriminierungen erfahren, ob am Arbeitsplatz, in der Schule, als Jugendliche, Alte oder HIV-Positive. Die katholische Kirche profiliert sich immer homophober, Bischöfe reden medienwirksam von der „Heilung“ Homosexueller. Anti-homosexuelle Gewalt ist nicht nur in Osteuropa ein Thema. Rechte Politik wird gesellschaftsfähiger, selbst der CSD musste die letzten beiden Jahre rechte Störer ertragen. Gegen Rechts brauchen wir besondere Aufmerksamkeit und eine sichtbare Erinnerungskultur, z.B. ein Themengeschichtspfad oder ein Denkmal für die homosexuellen NS-Opfer. Schließlich begann vor 75 Jahren in München eine bayernweite systematische Verfolgung und Vernichtung von Homosexuellen und deren Infrastruktur. Erst vor 40 Jahren wurde durch die Reform des Naziparagrafen 175 Homosexualität entkriminalisiert und dieser Sonderparagraf gerade vor 15 Jahren abgeschafft.
Akzeptanz ist also immer noch brüchig, Toleranz hat immer wieder ihre Grenzen. Aber es sind ja gerade die Grenzen, die uns politisch motivieren, diese abzubauen, zumindest zu verrücken. So können wir auf bestehende Defizite aufmerksam machen und lustvoll Forderungen stellen, gerade auch zur Bundestagswahl.
Denn politische Erfolge sind nicht nur gut für uns, sondern auch gut für München: eine vielfältige und solidarische Szene bereichert nicht nur die Stadt, sondern zeigt auch vorbildlich wie Integrationspolitik gelingen kann.
Uns allen wünsche ich einen schönen CSD, der noch mehr Lust auf ein eigenes und gemeinsames Leben macht - ohne Bedingungen und Beschränkungen.
Euer
Politischer CSD-Sprecher
und Stadtrat der Rosa Liste
Thomas Niederbühl
genau vor 40 Jahren haben sich Lesben, Schwule und Transgender bei den Stonewall-Unruhen in der Christopher Street in New York zum ersten Mal gegen Kriminalisierung und Diskriminierung gewehrt. Ihre Lust und ihre Lebensstile sollten endlich selbstbestimmt und selbstgestaltet lebbar und akzeptiert sein. Auch in diesem Jahr erinnert der Münchner Christopher-Street-Day an diese Anfänge einer weltweiten Schwulen- und Lesbenbewegung für Gleichstellung und Gerechtigkeit. Wir Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender bringen wieder mit Politik und Party unsere bunte Vielfalt auf die Strasse, um mit „Lust auf Leben“ zu feiern und zu fordern.
Mit dem Motto „Lust auf Leben“ nimmt der diesjährige CSD auch Bezug auf das 25jährige Bestehen der Münchner Aids-Hilfe und deren Motto „25 Jahre Lebenslust“. Schließlich nahmen schwule Männer die Herausforderung durch die tödliche Krankheit Aids an und gründeten ganz im Sinne von Selbsthilfe, politischer Interessensvertretung und solidarischem Engagement 1984 die älteste regionale Aids-Hilfe. Sie schufen mit dem Aids-Geschehen aktuelle Hilfsangebote und stellten sich der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung. Bayern setzte ja auf das Seuchenrecht des 19.Jahrhunderts, von Absonderung bis Zwangstests wurde alles diskutiert. Wir wehrten uns erfolgreich gegen die Einschränkung und Zerstörung unserer Lebensstile und unserer Szene. Aufklärung, Information, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung setzten sich durch. Damit ist Aids-Hilfe für uns ein Modell für ein erfolgreiches politisches und soziales Handeln der Community, das auch übertragen und verallgemeinert werden kann: Wir lassen uns trotz aller politischen und rechtlichen Widrigkeiten unsere Lebensstile und damit unsere ‚Lust am Leben’ nicht einschränken.“
Dass sich dieses politische Engagement lohnt, zeigt gerade unsere Münchner Erfolgsgeschichte. Neben der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen werden lesbisch-schwule Projekte, von Jugendzentrum bis rosa Altenarbeit, städtisch gefördert. Um schwul-lesbische Touristen wird geworben. Tausende können im Bierzelt auf der Wiesn, bei Straßenfesten und sogar einem pinkfarbenen Weihnachtsmarkt feiern. Die Community ist sichtbarer denn je. Das Klima in der Stadt insgesamt lesben- und schwulenfreundlich. Die Szene regiert durch Rosa Liste im Rathaus mit. Der Freistaat lässt „Homo-Ehen“ endlich im Standesamt schließen.
Auch wenn das alles Gründe sind, den CSD zu feiern, darf das nicht zu dem falschen Schluss führen, für uns Lesben, Schwule und Transgender sei gesellschaftliche Gleichstellung und Akzeptanz schon erreicht.
Uns steht die Ehe immer noch nicht offen. Die Adoption wird uns verweigert. Das Grundgesetz garantiert uns auch nach 60 Jahren noch keine Gleichstellung. Im Alltag müssen wir immer noch Abwertungen, Ausgrenzungen und Diskriminierungen erfahren, ob am Arbeitsplatz, in der Schule, als Jugendliche, Alte oder HIV-Positive. Die katholische Kirche profiliert sich immer homophober, Bischöfe reden medienwirksam von der „Heilung“ Homosexueller. Anti-homosexuelle Gewalt ist nicht nur in Osteuropa ein Thema. Rechte Politik wird gesellschaftsfähiger, selbst der CSD musste die letzten beiden Jahre rechte Störer ertragen. Gegen Rechts brauchen wir besondere Aufmerksamkeit und eine sichtbare Erinnerungskultur, z.B. ein Themengeschichtspfad oder ein Denkmal für die homosexuellen NS-Opfer. Schließlich begann vor 75 Jahren in München eine bayernweite systematische Verfolgung und Vernichtung von Homosexuellen und deren Infrastruktur. Erst vor 40 Jahren wurde durch die Reform des Naziparagrafen 175 Homosexualität entkriminalisiert und dieser Sonderparagraf gerade vor 15 Jahren abgeschafft.
Akzeptanz ist also immer noch brüchig, Toleranz hat immer wieder ihre Grenzen. Aber es sind ja gerade die Grenzen, die uns politisch motivieren, diese abzubauen, zumindest zu verrücken. So können wir auf bestehende Defizite aufmerksam machen und lustvoll Forderungen stellen, gerade auch zur Bundestagswahl.
Denn politische Erfolge sind nicht nur gut für uns, sondern auch gut für München: eine vielfältige und solidarische Szene bereichert nicht nur die Stadt, sondern zeigt auch vorbildlich wie Integrationspolitik gelingen kann.
Uns allen wünsche ich einen schönen CSD, der noch mehr Lust auf ein eigenes und gemeinsames Leben macht - ohne Bedingungen und Beschränkungen.
Euer
Politischer CSD-Sprecher
und Stadtrat der Rosa Liste
Thomas Niederbühl