Partner-Pride Kiew

LGBT-Communities München und Kiew kooperieren

"Fight for Global Rights – Solidarität kennt keine Grenzen" 
Im Juli 2012 war das noch eine Absichtserklärung, ein Motto. Der Münchner Christopher Street Day hatte sich im vergangenen Jahr mit all denjenigen Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT) solidarisch erklärt, die unter Entrechtung, Verfolgung und Übergriffen leiden – vor allem in Osteuropa.

Aktivistinnen und Aktivisten aus Ungarn, Kroatien und der Ukraine hatten die Organisator*innen nach München eingeladen: Eine Woche nutzten insbesondere die Gäste aus unserer Partnerstadt Kiew die Gelegenheit, die wichtigsten Protagonisten der Stadt München und ihrer lesbisch-schwulen Szene kennenzulernen. Ihre politisch versierten, klugen und berührenden Ausführungen zur Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender in der Ukraine haben, insbesondere ausgelöst durch die zentrale Podiumsdiskussion im Rahmen der CSD-PrideWeek, die Münchner Szene dazu bewogen, mit der Kiewer Community eine Kooperation einzugehen.

Im Herbst 2012 sind die Münchner und Kiewer LGBT-Community diese Zusammenarbeit offiziell eingegangen. Die Städtepartnerschaft zwischen München und Kiew ist eine gute Basis, um sich in der Ukraine für die Rechte Homo-, Bi- und Transsexueller politisch zu engagieren.

Vertreter*innen des Kiew Pride bei der Politparade

München ist dabei zweigleisig vorgegangen. Zum einen arbeiten CSD München und KyivPride zusammen; dafür haben die Träger des Christopher Street Day, LeTRa, Münchner Aids-Hife, Rosa Liste und Sub, eigens eine Stelle geschaffen. Zum anderen hat sich kurz darauf die ehrenamtlich organisierte Kontaktgruppe Munich Kiev Queer formiert, die in der Zwischenzeit auch über eine eigene Website www.MunichKievQueer.org erreichbar ist. Sie versteht sich als Schnittstelle zwischen der Münchner und der Kiewer Szene, initiiert, vermittelt, koordiniert und setzt Projekte gemeinsam mit den großen Gruppen und Vereinen der jeweiligen Kommunen um. In München sind das unter anderem die CSD-Gesellschafter Rosa Liste, LeTRa, Sub und Münchner Aids-Hilfe aber auch MLC, Team München, QueerCampus, Queerelations, Transmann und InsideOut München, um nur einige zu nennen. In Kiew sind in erster Linie die Organisationen Fulcrum, Gay Alliance Ukraine, Gay Forum Ukraine, Insight, Nash Mir und New Wave betroffen. Die Kontaktgruppe kümmert sich um den informellen, fachwissenschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen den Communitys beider Städte, macht aber auch PR und Öffentlichkeitsarbeit. Das Ziel aller Anstrengungen: Wir wollen die Menschenrechtslage verbessern.

Schwule, Bisexuelle und Transgender haben es in der Ukraine nicht leicht. Seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1991 ist Homosexualität zwar kein Straftatbestand mehr; die Haltung der Bevölkerung zum Thema Homo-, Bi- und Transsexualität verschlechtert sich seit ein paar Jahren aber zusehends.

Der erste GayPride des Landes - zu dem München erstmals eine kleine offizielle Delegation entsandte - musste im Mai 2012  aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt werden. Lydia Dietrich, Grünen-Stadträtin, und der Sub-Berater Sascha Hübner waren vor Ort. Zu groß war der Andrang der gewaltbereiten Gegner; im Umfeld des KyivPride sind mehrere Aktivisten verprügelt und schwer verletzt worden.

Seit einigen Monaten liegt dem ukrainischen Parlament ein Gesetzesentwurf zum Verbot so genannter Gay-Propaganda (8711/0945) vor, das das Haus am 2. Oktober 2012 in erster Lesung passiert hat. Wird er verabschiedet, können die Lesben-, Schwulen und Trans-Organisationen des Landes, auch die Einrichtungen, die sich um HIV-Prävention kümmern, nicht mehr arbeiten. Jegliche Information über Homosexualität würde verboten, mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft.

Mit Swoboda („Freiheit“) ist Ende Oktober eine rechtspopulistische, dezidiert homophobe Partei ins Parlament eingezogen. Ihr steht die liberale Partei Vitali Klitschkos, UDAR, gegenüber, die seit den Wahlen am 28. Oktober 2012 ebenfalls in der Volksvertretung sitzt und europäische Standards für die Ukraine fordert.

Gleichzeitig häufen sich die An- und Übergriffe auf Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle, so geschehen am 8. Dezember 2012 während einer Demonstration von LGBT-Aktivisten gegen das Anti-Gay-Propaganda-Gesetz. Die Polizei schützt die Demonstrierenden nicht oder nicht ausreichend, verhält sich parteiisch.

Stadtwappen von Kiew

Inzwischen machen Homo-Gegner vereinzelt sogar Jagd auf schwule Männer in den Straßen Kiews. Sie stellen ihnen nach und bedrohen sie. Eine in den U-Bahnen der Hauptstadt geschaltete  Aufklärungskampagne gegen das Gesetz 8711/0945 haben Jugendliche wenige Tage nach dem Plakatieren zerstört.

Die Homophobie, das sagen die Aktivisten im Land, sei getrieben von den evangelikalen und orthodoxen Kirchen, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Menschen an sich binden, die Halt suchen. Der Staat braucht ihre Nähe, denn er versagt in Politik und Wirtschaft. Wenigstens moralisch will man punkten.

Ein Grund, alle Hoffnung fahren zu lassen, ist das aber nicht. Der Aids-Ausschuss des Parlaments hat sich kürzlich gegen die Verabschiedung des Gesetzentwurfes 8711/9045 in zweiter Lesung ausgesprochen. Das Außenministerium geht davon aus, dass die Ukraine im Zuge der Assoziierungsvereinbarungen mit der EU ein Antidiskriminierungsgesetz verabschieden wird, das auch die sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz umfasst. Allerdings hat die Ukraine bislang keine der Verpflichtungen der EU erfüllt, um das Assoziierungsabkommen auch tatsächlich signieren zu können. Die USA und die EU nehmen weiterhin Einfluss, auch Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch.

Mit der Kooperation wollen CSD München und KyivPride auch politischen Druck aufbauen. Zum nächsten Pride, der in der Woche nach Pfingsten stattfinden soll (20. bis 27. Mai 2013) wird die Stadt München eine offizielle Delegation in die ukrainische Hauptstadt entsenden, der sowohl Vertreterinnen und Vertreter des Stadtrates wie der Münchner LGBT-Community angehören werden. Die Stadt Kiew wird die Delegation empfangen, ebenso die Deutsche Botschaft, die Heinrich-Böll-Stiftung und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, mit denen der CSD München und die Kontaktgruppe intensiv zusammenarbeiten. Wir hoffen darauf, dass dies die Sicherheit der Pride-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer deutlich erhöhen wird. Selbstverständlich ist das nicht; die Polizei hat im vergangenen Jahr nichts für die Unversehrtheit der Demonstrantinnen und Demonstranten getan.

Daneben wird der CSD München zur Pride-Woche in Kiew auch eine eigene Veranstaltung organisieren, wir planen ein Party-Special mit der Münchner Indie-Pop-Party Candy-Club. Zwei Ausstellungen der städtischen Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen („Sie war ganz schlimm schön“, „Verzaubert“) sind bereits vor Ort.

Im Juli dann werden unsere Freunde aus Kiew mit einer Delegation nach München reisen, um in der CSD-Woche an zahlreichen Veranstaltungen teilzunehmen. Die Lesben-Aktivistin Olena Semenova (New Wave) wird beispielsweise einen Teil der Bühnen-Moderation am Marienplatz mit übernehmen.

Die Kiew-Arbeit der Münchner Community wird vom Münchner Stadtrat, insbesondere Lydia Dietrich (Grüne) und Thomas Niederbühl (Rosa Liste) unterstützt; auch Oberbürgermeister Christian Ude, Bürgermeister Hep Monatzeder, die Vize-Präsidentin des Landtags, Christine Stahl, und die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Stamm engagieren sich. Der CSD München und die Kontaktgruppe Munich Kiev Queer arbeiten mit der städtischen Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, dem Büro für Internationale Angelegenheiten der Stadt München und dem Arbeitsforum Ukraine um den LMU-Lehrbeauftragten Peter Hilkes zusammen.

Conrad Breyer
Koordination Partner-Pride Kiew